Manche Dinge scheinen dieses Jahr noch länger in der Vergangenheit zu liegen, als sie es eh schon tun.
Klaus Lage zum Beispiel, der uns in den 80igern tausendmal berührte, bevor es Zoom machte.
Oder Job-Interviews, in denen man sich persönlich gegenübersitzt.
Dass wir uns hier zum Einstieg nicht falsch verstehen: wir haben nichts gegen Telefoninterviews, Zoom, Skype, Teams! Wir haben Interviews über WhatsApp mit Kandidaten geführt, die auf den Malediven urlaubten und erst gestern eines via Facebook Videochat.
Wir sind das gewöhnt und wir nutzen alle zur Verfügung stehenden Kanäle, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Was uns momentan viel mehr belastet, ist die Ausschließlichkeit des Remote-Interviews. Denn, Hand aufs Herz: würden Sie momentan völlig offen und unbeschwert in ein Erstgespräch bei Personalberatern gehen? Wohl eher nicht.
Kandidaten berichten uns von Gesprächen in leergeräumten Besprechungszimmern, dystopischen Szenen mit hektisch desinfizierenden Reinigungskräften, genuschelten Fragen unter Masken und insgesamt einer Atmosphäre, die weit entfernt von einem sinnhaften Kennenlernen ist.
Genau dieses Kennenlernen ist es aber, dass auch über Zoom und Co. einige essenzielle Teile missen lässt. Nicht von ungefähr sagt man „Ich kann dich gut riechen“. Wir Menschen funktionieren nun mal über alle Sinne, Augen und Ohren sind da nur ein Teil. Angefangen vom optischen Eindruck, dem Schritt des Gesprächspartners, dem Händedruck, der Körperhaltung, und ja, dem Geruch. Diese Eindrücke lassen sich beim besten Willen nicht durch Webcams transportieren. Und selbst Gestik und Mimik kommen über das Video nur bedingt an.
Uns fehlt diese Möglichkeit, sich persönlich in die Augen zu schauen und so Vertrauen aufzubauen. Es ist einfach Teil unseres Jobs. Nicht für jedes Interview – aber für so manches. Einfach auch, um ein Bauchgefühl zu bestätigen oder zu negieren. Und genau deswegen schließen wir uns nicht dem allgemeinen Freudengeschrei derer an, die im Video-Interview auch aus Kostengründen mal wieder die letztgültige Zukunft des Recruiting sehen. Denn erstens machen wir es seit Jahren und zweitens ist es nur ein Teil des Instrumentariums. Ein gutes Instrument wohlgemerkt, und im internationalen Recruiting sowieso unverzichtbar.
Aber es kann und wird nicht bis zum Ende aller Tage den persönlichen Kontakt ersetzen. Gleiches gilt auch für die so wichtigen Kundengespräche, die ich als Vertrieblerin sehr schätze und für eine gute Geschäftsbeziehung in gleichem Maße für Wichtig halte.
So hoffen wir, dass es bald wieder möglich sein wird, in entspannter Atmosphäre gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und ein gutes Gespräch zu führen.
In diesem Sinne,
Ihre Angi Neumann
Liebe Frau Neumann,
es tut gut, über ein so kontrovers diskutiertes Thema auch mal einen objektiven und sachlichen Kommentar zu lesen. Von Profis, mit Augenmaß und auf der Basis von mehreren Jahren Erfahrung. Wie so oft, lautet auch hier die Antwort: „Es kommt darauf an…“. Aber die Tendenz, sich EINE Meinung zu bilden, die dann in eine Schublade zu packen, macht es eben etwas einfacherer. Schlimmer wird es, wenn dann dieser Schubladeninhalt auch noch über die sozialen Medien rund um dem Globus verteilt wird.
Mit herzlichem Gruß
Walter Kraus
Hallo lieber Herr Kraus,
vielen Dank für das tolle Feedback und die wertschätzenden Worte.
Herzliche Grüße
Angela Neumann
Der Song „1000 Mal berührt“ ist übrigens von Klaus Lage nicht von Matthias Reim:
https://de.wikipedia.org/wiki/1000_und_1_Nacht_(Zoom!)